Malbücher sind so eine Sache: Zwar quasi überall herzubekommen, aber meistens auch nicht wirklich durchdacht. Falls also mal die Frage nach Kinderbüchern aufkommt, die vielfältigere Menschen und Lebenswelten aufzeigen, kann inzwischen geholfen werden. Zum einen gibt es nämlich das Badass Feminist Coloring Book, das zur Zeit aber nur vorbestellt werden kann, weswegen noch unklar ist, ob das Buch wirklich für jede Altersgruppe geeignet ist. Die Macherin Ijeoma Oluo verspricht allerdings: You're never too old for coloring books & you're never too young for feminism. Get your Badass Feminist Coloring Book! Das Buch hat einen stolzen Preis von 25$, aber vielleicht lohnt es sich ja. Mein absoluter Favorit ist Fat Ladies In Spaaaaace: a body-positive coloring book. Mir gefällt allein schon der bodypositive Ansatz, das Ganze gemischt mit dem Weltall finde ich klasse! Theo Nicole Lorenz brachte auch Malbücher mit rauchenden Einhörnern und Dinos mit Jobs heraus. Ein Spaß für Kinder und auch Erwachsene. Ebenfalls im bodypositiven Bereich angesiedelt ist auch Color my Fro!, das ich bereits vorgestellt habe. Von derselben Künstlerin wurden auch Black Fairy Tales und The Colorful Adventures of Zoe & Star beziehungsweise The Colorful Adventures of Cody & Jay gezeichnet. Im Sinne feministischer Selbstbehauptung hat Marion Mebes zwei, zugegebenermaßen bereits in die Jahre gekommende, Malbücher geschaffen, nämlich Kein Küßchen auf Kommando! sowie Kein Anfassen auf Kommando!. Das ist natürlich nur eine kleine Auswahl von dem, was sein könnte: Klar ist, hier fehlen Ritterinnen, Superheldinnen, Models mit unterschiedlichen Körperformen und vor allem Menschen mit Behinderungen. Noch viel mehr ist denkbar! Nachtrag vom 24.10.2015:
"Noch viel mehr ist denkbar!" - Damit schloss ich den Artikel Anfang des Monats. Und zwei Frauen machen jetzt genau das möglich, nämlich Stephanie Tabashneck und Tanja Tadic, Autorin und Illustratorin des Malbuchs "Dream Big! More than a Princess Coloring Book". Im Buch stellen 25 Illustrationen untypische Frauenberufe vor, um Mädchen* anzuregen, diese anzustreben. Laut der Zeitschrift an.schläge (Heft VII/2015) ist ebenfalls ein Buch für Jungen* geplant! Das Buch ist für 6,41€ via amazon zu haben. Olivia Jones hat mit ihrem Buch "Keine Angst im Andersrum. Eine Geschichte vom anderen Ufer" kein Kinderbuch, sondern fast eine ganze Unterrichtsreihe geschrieben. Zur Geschichte Die Geschichte ist sehr realistisch: Luis hat in der Schule "schwul" als Schimpfwort kennengelernt, Tante Maria - die mit ganz tiefer Stimme und polterndem Lachen liebevoll beschrieben wird - findet das aber gar nicht gut und dreht den Spieß mal um. Die Kinder verstehen das und sind dann umso interessierter, als Tante Maria erzählt, dass Homosexualität und Transsexualität im Tierreich völlig normal sind. Was genau es damit auf sich hat, ob Tante Maria einfach gerne Röcke trägt oder trans*gender ist, erfahren wir nicht. Ich persönlich finde aber auch das sehr schön, weil es für die Kinder viel Raum zum Nachdenken und Fantasieren lässt. Hinten im Buch gibt es wahnsinnig viele Seiten dazu, wann und wo Menschen Geschlechterrollen übertreten, erweitern oder Geschlechterrollen ganz anders sind (als unsere Kultur vorgibt) und welche Tiere ihr Geschlecht ändern oder homosexuell sind. Auch interessante Fragen zur Geschichte, z. B. "Warum ärgert sich Tante Maria so darüber, dass Luis 'schwul' als Schimpfwort benutzt? Und was könnte es mit Tante Marias tiefer Stimme und ihrem Donnerlachen auf sich haben?" können prima Diskussionen mit Kindern einleiten. Außerdem gibt es eine Umklapp-Seite mit der Überschrift: "Wer denkst Du ist hier Frau, wer Mann?". Das Vorwort von Olivia Jones richtet sich vor allem an Eltern und begründet, warum sie dieses Buch geschrieben hat. Eigentlich ist es zwar schade, dass mensch das heutzutage noch begründen muss, aber ihre Begründung trifft: Ist Aufklärung in Schulbüchern nicht bereits zu spät? Sitzen dann Stereotype und Vorurteile nicht schon? Ich persönlich vertrete diesen Ansatz ebenfalls. Kritische Stimmen fanden ihre Drag-Bilder unpassend. Ich persönlich finde, dass das sehr überzogen ist. Ein Mann mit Frauenkleidung ist häufig genug Realität und kein Grund, die eigenen Kinder zu verstecken. Kritik Was mir leider nicht so sehr gefallen hat, ist, dass Lesbisch sein sehr unter den Tisch fällt, denn auch das gehört zum Thema Homosexualität. Tendenziell steht Luis sehr im Mittelpunkt, was schade ist, weil die meisten Kinderbücher Jungen die Hauptrolle geben. Emma, die kleine Schwester, ist nur hin und wieder aktiv. Dafür ist Tante Maria eine weibliche Hauptrolle, fernab vom Klischee. Persönlich stört mich die Szene, in der Inge und Gerd sich kennenlernen. Da pfeift Gerd nämlich Inge hinterher (Achtung, Geschlechter getauscht - hätten die sich nicht anders kennenlernen können?). Inge freut sich darüber, tun die meisten Frauen* aber eher nicht. Zu guter Letzt kann ich viele Rezensionen in dem Sinne stützen, dass Tante Maria sehr belehrend auftritt. Ich finde, man darf Kindern durchaus zutrauen, eigene Schlüsse zu ziehen. Gerade die schöne Geschichte im Andersrum lädt eigentlich dazu ein. Vermutlich sollen die Unterbrechungen durch Tante Maria Kindern eine erklärende Pause bieten, ich fand sie aber eher ablenkend. Natürlich verstehe ich auch die Sorge, dass Kinder - durch Vorprägungen - falsche, abwertende oder feindliche Schlüsse ziehen könnten - also ohne erklärende Instanz. Vermutlich sollte das hier vermieden werden, woraus sich die Erklärbär-Figur von Tante Maria ergibt. Meiner Meinung spricht diese belehrende Art gegen einen gleichwürdigen Umgang mit Kindern, weswegen ich sie ablehne. Amazon gibt an, dass das Kinderbuch ab 5 Jahren ist. Dazu hat es meiner Meinung nach zu viel Text. Die Bilder finde ich persönlich sehr schön, für kleinere Kinder können sie aber - durch die Schattierungen - gruselig wirken. Ich würde das Buch erst ab Grundschule empfehlen und einsetzen. Insgesamt ist die Idee des Buches toll und die Geschichte, die im Andersrum spielt, sehr interessant. Die Gestaltung ist bunt und fröhlich. Leider stört das Belehrende an Tante Maria. Für Kinder, die sich in der Grundschule für Geschlechter(rollen) zu interessieren beginnen, sind die langen Einheiten mit Frage und Antwort spannend und lehrreich. Dass das Buch schwierig zu verstehen ist, je jünger das Kind, stimmt zwar, aber die meisten Bücher werden ohnehin mehrere Male gelesen. Im Grundschulalter kann das Buch gut genutzt werden. Anmerkung: In anderen Rezensionen habe ich gelesen, dass "Tante Maria" ein "Mann in Frauenkleidern" sei, während ich persönlich sie als Frau mit tiefer Stimme oder transsexuelle Frau gelesen habe. Ich persönlich fand die Beschreibung toll, weil es viel Freiraum lässt; leider werden diese Freiräume nicht automatisch mitgedacht. Habt ihr es schon gelesen? Wie war euer Eindruck?
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