„Wenn Kinder anders fühlen – Identität im anderen Geschlecht“ ist der einfühlsame Titel des 2011 erschienen Elternratgebers zu Transidentität im Kindesalter. Der Ratgeber ist im Reinhardt-Verlag erschienen und wurde im amerikanischen Original von Stephanie Brill und Rachel Pepper verfasst. Transidentität meint das Phänomen, dass sich Menschen nicht mit dem ihnen bei ihrer Geburt zugeschriebenem Geschlecht identifizieren können. So wird bei der Geburt eines Kindes dieses unweigerlich in die Kategorien „weiblich“ oder „männlich“ einsortiert. |
Seit 2013 ist zwar noch eine dritte Option in Deutschland legal – allerdings nur für eindeutig intersexuelle Kinder. Dies ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, lässt aber aus, dass das körperliche Geschlecht sich durch mehrere Kategorien bestimmt (chromosomal, gonadal, hormonell, …), die nicht immer eindeutig sein müssen.
Oft wird dies durch ein Verhalten deutlich, dass nicht konform zu den Erwartungen ist, die man an Menschen mit dem zugeschriebenem Geschlecht hat. Sogenanntes geschlechtsvariantes Verhalten tritt zum Beispiel auf, wenn ein Junge ein Kleid trägt. Synonym dazu wird der Begriff „geschlechtsunkonformes“ oder „nicht-geschlechtskonformes Verhalten“ benutzt.
Über eine wissenschaftliche Fundierung hinaus bietet das Buch praktische Anweisungen im Umgang mit transidenten Kindern und Jugendlichen, die Eltern und Betreuer_innen direkt im Alltag abholen. Brill und Pepper achten durchweg auf eine reflektierte und bewusste Sprache. Das Wohl des Kindes bzw. Jugendlichen steht durchgehend im Vordergrund. Viele Fallbeispiele illustrieren die theoretischen Abhandlungen und haben so das Potenzial, Eltern und Angehörigen die Angst vor Transidentität zu nehmen. Gerade der Einstieg ist sehr niederschwellig, sodass auch absolute Neulinge sich schnell in die Thematik einfinden.
Der Ratgeber gliedert sich in neun Kapitel, die zunächst in Transidentität als Thema einführen (1.Kapitel), sich dann mit möglichen Reaktionen der Umwelt beschäftigen (2.Kapitel) und dann über Entwicklungsstadien (3.Kapitel) und Identitätsentwicklung (4.Kapitel) aufklären. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit „Entscheidungen während der Übergangszeit“ und ermutigt Eltern und Betreuer_innen, Entscheidungen im Sinne ihres Kindes zu treffen. Darauf folgt ein das sechste Kapitel, das die Kommunikation der betroffenen Familie und ihrer Umwelt behandelt. Aufgeworfen wird hier die Frage: „Wem erzähle ich von unseren Entscheidungen – wie, warum und wann?“. Probleme und Reaktionen des Umfeldes, die im Zusammenhang mit Transidentität oder Geschlechtsvarianz stehen, werden einfühlsam und parteiisch besprochen.
Die letzten drei Kapitel beschäftigen sich mit schulischen/erzieherischen Fragen (7.Kapitel) sowie medizinischen und rechtlichen Aspekten von Transidentität (8. und 9.Kapitel).
Im Anhang werden weitere Materialien zur Verfügung gestellt, so z. B. ein Glossar zur Begriffsklärung sowie Beispiele für medizinische Gutachten.
Leider suggeriert das Buch an manchen Stellen, das es einen Weg gibt, transident zu sein, z. B. wenn immer wieder auf die Benutzung des Spielzeugs des anderen Geschlechts Bezug genommen wird. Diese These wird zwar dadurch abgeschwächt, dass darauf hingewiesen wird, das das allein kein Kriterium zur Bestimmung von Transidentität sein kann. Allerdings sind viele trans* Personen in einer Therapie genau damit konfrontiert. So wird einer trans*-Frau, die Hosen trägt, mitunter ihr Frau-Sein abgesprochen.
Die Autorinnen, Stephanie Brill und Rachel Pepper, führen in „Wenn Kinder anders fühlen“ nach neustem Wissensstand in das Thema ein und geben Hinweise zu „Diagnose“ (ein Begriff, der übrigens auch im Buch in Anführungszeichen gesetzt wird), Verhalten der Familie, Entwicklung, Erziehung sowie medizinischen und rechtlichen Aspekten. Damit schafft das Buch es, ein breites Spektrum wichtiger Themen für Eltern oder Betreuer_innen transidenter Kindern abzudecken. Darüber hinaus eignet sich das Buch ebenso für alle, die einen fundierten Einblick in das Thema bekommen möchten oder in irgendeiner Weise mit einem transidenten Kind zutun haben.
„Wenn Kinder anders fühlen“ ist daher mit seiner Herangehensweise und seinem umfangreichen Inhalt einzigartig auf dem deutschen Buchmarkt. trans-eltern.de beschreibt das Buch als „ein absolutes Muss für alle Eltern transidenter oder geschlechtsvarianter Kinder“. Dem stimme ich absolut zu. Darüber hinaus ist das Buch auch für alle anderen, die in die Thematik einsteigen möchten oder in irgendeiner Weise mit transidenten oder geschlechtsvarianten Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen, empfehlenswert.
Das Buch bietet eine umfassende Aufklärung inklusive praktischer Handreichungen, die das Wohl der transidenten oder geschlechtsvarianten Person fokussieren. Insgesamt sollte dieser Ratgeber in keinem Regal von Pädagog_innen und Institutionen fehlen.